Das Gespenst von Canterville

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Dann sprach der Geist weiter, und seine Stimme klang

wie das Seufzen des Windes.

„Hast du je die alte Prophezeihung am Fenster

der Bibliothek gelesen?“

 

„O ja oft“, rief das kleine Mädchen und hob den Kopf.

„Ich kann sie auswendig. Sie steht da in merkwürdigen

schwarzen Buchstaben und ist schwer zu entziffern.

Es sind nur sechs Zeilen:

 

Wenn ein goldenes Mädchen Mitleid spürt,

Einen Sündermund zum Beten rührt.

Wenn der dürre Mandelbaum erblüht,

und ein Kind die Welt durch Tränen sieht:

Dann wird’s endlich hier im Hause still,

Friede kehret ein in Canterville.

 

Aber ich weiß nicht, was das bedeutet:

„Es bedeutet“, sagte das Gespenst traurig,

„dass du für meine Sünden weinen musst,

denn ich habe keine Tränen,

und mit mir für meine Seele beten musst,

denn ich habe keinen Glauben.“


Auszug aus einem meiner kleinen Lieblingsgespenstergeschichten von

Oscar Wilde “ Das Gespenst von Canterville“

mit den wunderbaren Zeichnungen von Heinrich Heuer

(Gütersloh Bertelsmann Kleine Lesering 1970)

Herbstidylle

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Einsamkeit und Idylle

haben die Stille schätzen gelernt,

vertraut sind die Bäume rings im Park,

verträumt, des Horizonts Konturen.

Kein Nichts stört und will gestört sein,

kein Ton verklingt, will nur erklingen.

 

Einsamkeit ist auch Idylle

und Frieden weht Gedanken an.

Es ist die Vielfalt der erwachten Träume,

die meisten Fragen schweben weiter,

zu Boden fällt nur…..buntes Laub.

 

 

© Text: Karin Kronreif , Bild: Stephanie Mohr

Festgehalten

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Zwischen Unendlichkeit und Ewigkeit

spannt sich das Seil,

auf welchem Menschen wandeln müssen.

Die eine Hand greift nach dem Seil,

die andere verbrennt sich

an der romantischen späten Rose.

Wenn du fällst,

dann auf die Erinnerung zurück,

von Rabelais bis Sade,

Erkenntnis, nicht Erklärung, hält uns fest.

 


© Text: Karin Kronreif , Bild: Stephanie Mohr

Verträumt

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Zwischen grünen Dämmerschleiern

schwebt ein helles, schlankes Licht

und sehnsuchtgrüßend dösen Bilder,

die wir doch niemals greifen können,

obwohl sie sehr lebendig sind.

 

Sahst du das Märchen?

Es schwebte durch den Park,

und Flüstern wandelt zwischen Sträuchern,

blickt sich um und lächelt leise:

Hast du es gehört?

Und Herbstfäden hinterdrein,

sie fangen sich in lauschend Hecken:

Hast du es gesehen?

Und Vögel singen ihre Schlummerlieder:

Ein Märchen schwebte durch den Park.

 

Die Lichter in den Fenstern

sind keine Lichter mehr,

sind Märchen, die zu Licht geworden.

Bist du es, der hier sitzt und träumt?


 

© Text: Karin Kronreif , Bild: Stephanie Mohr

Da war doch noch etwas…..

Das kann doch noch nicht alles gewesen sein

Da war doch noch was, das weiß ich ganz genau

Zuerst kommst du auf die Welt

und dann sollst du wieder gehen.

Gerade dann, wenn du glaubst

es fangt erst alles an

Das kann doch nicht alles gewesen sein

Nein nein, das kann ich einfach nicht glauben

Oder sollte ich vielleicht

oder sollte ich vielleicht

zum Leben vergessen haben


Georg Danzer wäre heute 70ig geworden!

Er begleitet mich mein ganzes Leben. Nicht nur, dass mein Bruder ihm so ähnlich sah,  wird mir ein Moment unvergesslich bleiben. Als mein Papa im Sterben lag….da sang er plötzlich ein Lied vom Danzer “ Lass mi amoi no d’Sunn aufgeh segn“. Wie gerne hätte ich ihn damals mit dem Bett ins Freie gestellt, damit er noch einmal die Sonne spüren kann.

Darum…..vergessen wir nicht auf unser Leben…und genießen wir jeden Sonnenstrahl !

Danke Danzer!

 

 

Komm, lass uns!

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Lass uns doch einmal reich sein,

wie es einst die Sehnsucht

unserer Jugend hat geträumt,

die Form und Tiefe aller Reigen,

das Dunkle und das Helle,

durch die die Reizen ziehen.

Der Geruch der Sprachen,

der übervollen Aschenbecher,

der Weinreste in Gläsern-

wo ohne Unterschiede

sich Geben und Nehmen

ineinanderweben.

Komm, lass uns!


© Text: Karin Kronreif , Bild:  Arno von Rosen