Dann sprach der Geist weiter, und seine Stimme klang
wie das Seufzen des Windes.
„Hast du je die alte Prophezeihung am Fenster
der Bibliothek gelesen?“
„O ja oft“, rief das kleine Mädchen und hob den Kopf.
„Ich kann sie auswendig. Sie steht da in merkwürdigen
schwarzen Buchstaben und ist schwer zu entziffern.
Es sind nur sechs Zeilen:
Wenn ein goldenes Mädchen Mitleid spürt,
Einen Sündermund zum Beten rührt.
Wenn der dürre Mandelbaum erblüht,
und ein Kind die Welt durch Tränen sieht:
Dann wird’s endlich hier im Hause still,
Friede kehret ein in Canterville.
Aber ich weiß nicht, was das bedeutet:
„Es bedeutet“, sagte das Gespenst traurig,
„dass du für meine Sünden weinen musst,
denn ich habe keine Tränen,
und mit mir für meine Seele beten musst,
denn ich habe keinen Glauben.“
Auszug aus einem meiner kleinen Lieblingsgespenstergeschichten von
Oscar Wilde “ Das Gespenst von Canterville“
mit den wunderbaren Zeichnungen von Heinrich Heuer
(Gütersloh Bertelsmann Kleine Lesering 1970)